Junge Frau liegt auf dem Sofa und leidet an Unterleibsschmerzen.

Vulvakrebs ist die vierthäufigste gynäkologische Krebserkrankung1. Seit Beginn der 2000er Jahre wurde in Deutschland ein deutlicher Anstieg der Neu­erkrankungs- und eine leicht steigende Sterberate bösartiger Tumoren der Vulva und Vagina beobachtet. Auf diesem hohen Niveau stabilisieren sich die Zahlen in den letzten zehn Jahren2. So treten jährlich etwa 3.580 neue Vaginal- und Vulvakrebserkrankungen auf, wovon knapp 90 Prozent die Vulva betreffen3. Vor allem bei jungen Betroffenen sind häufig Humane Papillomaviren (HPV) der Auslöser der Erkrankung. Ein Screening zur Früherkennung gibt es noch nicht, was unserer Meinung nach ein großes Versäumnis ist. Im Rahmen eines Pipelineprojekts forschen wir an der Entwicklung eines Früherkennungsverfahrens für die Krankheit.

Was versteht man unter Vulvakrebs?

Vulvakrebs ist eine bösartige Erkrankung des äußeren weiblichen Genitals. Oft setzt sie an den großen Schamlippen, seltener auch an den kleinen Schamlippen oder der Klitorisregion an4. Die Karzinome gehen dabei in den meisten Fällen von der Hautoberfläche oder den Schleimhäuten aus.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei verschiedene Formen:

  • Verhornende Karzinome machen 50 bis 80 Prozent der Erkrankungen aus. Sie treten mit steigendem Lebensalter häufiger auf, was sich auch daran zeigt, dass das mittlere Erkrankungsalter bei 72 Jahren liegt5.
  • Nichtverhornende Karzinome betreffen meist jüngere Frauen. Der Krebs und seine Vorstufen werden hier häufig durch eine chronische Infektion mit HPV ausgelöst. Die Erkrankung kann dann zusätzlich mit Gebärmutterhalskrebs und Anuskarzinomen assoziiert sein6.

Vulvakrebs: Symptome anfangs oft unscheinbar

Juckreiz, Brennen beim Wasserlassen oder kleine Veränderungen der Haut – die ersten Anzeichen der Krankheit sind sehr unspezifisch. Umso wichtiger ist es, auch scheinbar harmlose Auffälligkeiten bei den frauenärztlichen Vorsorgeuntersuchungen anzusprechen. Denn zurzeit können die Fachkräfte nur so auf die Krankheit aufmerksam werden und im Zweifel Vulvakrebs erkennen7.

„Das ist natürlich zu sehr dem Zufall überlassen und oft auch zu spät“, meint unsere Mitarbeiterin Kristina Wunsch. Sie führte bereits erste Versuche zur Entwicklung eines spezifischen Tests für Vaginal- und Vulvakarzinome durch.

Entwicklung einer gezielten Früherkennung

Genau wie für unseren Test auf Gebärmutterhalskrebs wollen wir ein Verfahren entwickeln, dass die durch HPV ausgelösten Krankheitsfälle sicher und frühzeitig erkennt. Dies ist durch den Nachweis von Methylierungsmakern möglich, die bei Vulva- und Vaginalkrebs sowie deren Vorstufen auftreten, nicht aber in gesundem Gewebe.

„Die Früherkennung ist für den Krankheitsverlauf essenziell. 2016 starben in Deutschland etwa 930 Frauen an Vulvakarzinomen und weitere 190 an Vaginalkrebs. Diese Zahlen gilt es zu senken. Durch ein frühzeitiges Erkennen der Krankheitsfälle können Therapien früher greifen und die Genesungschancen erhöht werden“, so Kristina Wunsch.

 

Fragen Sie den Arzt oder die Ärztin Ihres Vertrauens

Die hier dargestellten Inhalte dienen ausschließlich der neutralen Information und allgemeinen Weiterbildung. Sie stellen keine Empfehlung oder Bewerbung der beschriebenen oder erwähnten diagnostischen Methoden, Behandlungen oder Arzneimittel dar. Der Text erhebt weder einen Anspruch auf Vollständigkeit noch garantiert er die Aktualität, Richtigkeit und Ausgewogenheit der dargebotenen Informationen. Er ersetzt keinesfalls die fachliche Beratung durch einen Arzt und darf nicht als Grundlage zur eigenständigen Diagnose und Beginn, Änderung oder Beendigung einer Behandlung von Krankheiten verwendet werden. Konsultieren Sie bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer den Arzt oder die Ärztin Ihres Vertrauens!

 

Quellen

[1] Deutsche Krebsgesellschaft (2018): Vulvakrebs, Vulvakarzinom.

[2] Zentrum für Krebsregisterdaten (2021): Krebs der Vulva (Vulvakarzinom).

[3] Buttmann-Schweiger, N., Barinoff, J., Waldmann, A. et al. (2019): Epidemiologie der Krebserkrankungen von Vulva und Vagina in Deutschland. Onkologe 25, 396–403.

[4][6] Deutsche Krebsgesellschaft (2018): Vulvakrebs, Vulvakarzinom.

[7] Berufsverband der Frauenärzte e. V. (Hrsg.) (2018): Vulvakrebs / Vulvakarzinom.

 

Titelbild: Andrey Popov/Shutterstock.com

Claudia Braunstein ist eine Langzeitüberlebende: Sie überlebte Krebs. Der Besuch beim Zahnarzt sollte im Juli 2011 ihr Leben von einem Moment auf den anderen verändern – aber auch retten. Wegen eines ausgefallenen Inlays suchte Claudia Braunstein ihren Arzt auf. Bei der Gelegenheit zeigte die Österreicherin dem Mediziner eine Stelle an ihrer Zunge, die sie sich regelmäßig aufbiss. Dieser zögerte nicht lange und überwies die damals 48-Jährige umgehend an einen Spezialisten. Nur eine Woche später erhielt Claudia Braunstein die Diagnose: Plattenepithelkarzinom – Krebs am rechten Zungenrand. Claudia Braunstein begann zu kämpfen und siegte über den Krebs.

Frau Braunstein, ab wann gilt ein Krebspatient als geheilt? Sie bezeichnen sich selbst außerdem als Langzeitüberlebende. Was war für Sie der Startpunkt?

Seit dem Tag, an dem ich aus der Onkologie in das Archiv gewandert bin. So formulierte es meine Ärztin und meinte damit meine Akten. Das bedeutet, dass ich fünf Jahre nach der Behandlung keinen Rückfall hatte. Ich bin aus der Abteilung raus und habe erstmal hemmungslos geweint. Das war also 2016.

Die Diagnose Krebs war für Sie damals überraschend. Hatten Sie vorher keine Ahnung, dass etwas nicht stimmen könnte?

Es gab wohl Anzeichen, aber ich wusste diese vorher nicht einzuordnen. Viele Menschen mit der gleichen Erkrankung sind alkoholkrank oder Raucher. In meinem Fall wurde der Krebs allerdings vermutlich durch HPV, Humane Papillomviren, ausgelöst. Was sich gleich noch an einer 2. Diagnose zeigte. Denn bei mir wurde außerdem noch beginnender Gebärmutterhalskrebs festgestellt. Auch diese Krebsart wird durch HPV ausgelöst.

Eine Woche nach ihrem Zahnarztbesuch hatten Sie die Diagnose Krebs am rechten Zungenrand. Was folgte dann?

Mir wurde ein Teil der beweglichen Zunge entfernt und durch ein Implantat ersetzt. Es folgten Bestrahlung und Chemotherapie. Ich hatte einen starken Gewichtsverlust, da ich die Sondenernährung ablehnte. Zeitweise war ich ein einhundertprozentiger Pflegefall. Mein Arzt leitete dann gegen meinen Willen entsprechende Maßnahmen ein. Heute bin ich ihm sehr dankbar dafür. Die Sonde abzulehnen war ein Irrtum von mir. Ich konnte auch gar nicht mehr sprechen. Das ist für jemanden, der ständig den Mund offen hat, eine dramatische Situation.

Was hat Ihnen geholfen, die Behandlung durchzustehen?

Die größte Stütze war die Familie. Es hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, in einem stabilen Umfeld zu leben. Ich würde es keinem Angehörigen raten, aber mein jüngster Sohn sagte zu mir: „Mama, reiß dich zusammen, wir brauchen dich noch.“ Das war für mich ein Antrieb. Ich wusste, die brauchten mich noch als Person.

Nun gelten Sie als krebsfrei, sogar als Langzeitüberlebende. Wieviel Raum nimmt die Krankheit noch immer in Ihrem Leben ein?

Das Thema Krebs wird immer bei mir sein. Zum einen beruflich, ich verdiene auf meinem Blog mit dem Thema auch Geld. Dann habe ich immer noch tagtäglich mit den Folgen der Krebserkrankung zu tun. Wenn ich ausgehe, muss ich mich vorbereiten. Denn ich habe eine Dysphagie, eine Schluckstörung. Das tägliche Essen, wenn ich meinen Löffel an den Mund führe, erinnert mich immer daran. Dann bin ich auch sprachlich eingeschränkt. Ich muss mich ständig erklären. Oft wird eine sprachliche Behinderung mit einer geistigen Behinderung gleichgesetzt. Da würde ich mir wünschen, die Leute würden fragen, warum reden Sie so merkwürdig?

Auch wenn Sie als krebsfrei, ja Langzeitüberlebende gelten, müssen Sie immer noch regelmäßig zur Nachsorge. Wie geht es Ihnen damit?

Ja, ich muss alle 6 Monate zur Kontrolle. Ich gehöre zur seltenen Spezies, die gerne zur Nachsorge geht. Mir wird dort sehr viel Empathie entgegengebracht, ich werde dort auch als Vorzeigepatientin herumgereicht. Außerdem gehe ich so hin: Meine Nachsorgeuntersuchungen sind nur die Bestätigung meines letzten Zustands. Es ist doch schade, wenn man sich die Energie selber nimmt.

Hat sich Ihre innere Einstellung seit Ihrer Krebserkrankung geändert? Wenn Sie sich selbst als Langzeitüberlebende sehen, was bedeutet das für Sie?

Ich empfinde viel Dankbarkeit und Demut. Ich bin auch dankbar in einem Land zu leben, das medizinisch so ausgezeichnet aufgestellt ist und bei dem so viele Leistungen von der Krankenkasse übernommen werden. Ich gebe sehr viel. Ich berate andere Patienten mit derselben Erkrankung unentgeltlich. Dafür habe ich eine psychoonkologische Ausbildung gemacht. Aber ich verdiene auch Geld mit meiner Erkrankung.

Welchen allgemeinen Ratschlag geben Sie Krebspatienten oder Krebs-Überlebenden mit auf den Weg?

Man kann mental viel machen, indem man das Positive sieht. Ich versuche unwichtige und negative Dinge soweit es geht wegzuschieben. Positives Denken funktioniert nicht – aber eine positive Grundeinstellung. Das kann man lernen. Ich kann morgens aufwachen und aufzählen, was ich alles nicht kann, oder ich kann aufzählen, was alles schön ist!

Liebe Frau Braunstein, vielen Dank für das Gespräch!

 

Titelfotos: Claudia Braunstein/Verlag Anton Pustet